Warnung vor der "gebührenfreien" MasterCard Gold der Advanzia Bank
Ja, ich kenne die "gebührenfreie" MasterCard Gold der Advanzia Bank. Und zwar besser, als mir lieb sein kann. Deshalb rate ich davon nicht nur ab, sondern ich muß davor ausdrücklich warnen. Aber der Reihe nach: Verschickt ein seriöses Institut fertig geprägte "goldene" Kreditkarten zu tausenden wahllos an ahnungslose Teilnehmer von Internet-Gewinnspielen? Eher nicht. Die Advanzia hat genau das getan. Der Kooperationspartner war Planet49 ("Kein Scherz! Sie haben gewonnen!") Und nicht nur das, sondern sie hat das auch noch abgestritten. Bis sie von der Verbraucherzentrale Berlin abgemahnt wurde und sich verpflichten mußte, mit dem Unsinn aufzuhören.
Aber noch immer wirbt sie damit, daß auch Geringverdiener oder Hartz-IV-Empfänger mit negativer Schufa-Auskunft ihre "goldene" Kreditkarte bekommen können. Kein Wunder, sie ist ja auch erst 2006 in den Markt eingetreten, und da hatten alle Durchschnitts- und Besserverdiener bereits andere Kreditkarten. Die Advanzia Bank mußte deshalb sich mit den Kunden begnügen, die bei seriösen Banken keine Kreditkarte bekommen, und das sind überwiegend sozial Schwache. Der zunächst lächerliche Verfügungsrahmen von 50 € steigt nach wenigen kleinen Transaktionen rasch an, sofern der Mindestbetrag pünktlich beglichen wird. Endlich kann man sich leisten, wovon man schon lange geträumt hat: eine neue Einrichtung, ein neues Auto, eine Urlaubsreise... Die Advanzia Bank verleitet so natürlich vorsätzlich zu hohen Ausgaben, weil sie ja an jedem Umsatz mitverdient. Wer seine Schulden abstottern muß, gerät flugs ins die Schuldenspirale, noch angeheizt durch den schamlosen Zinssatz von 19,94% im Jahr. Daran verdient die Advanzia Bank erst recht. Ohne die kräftige Nachhilfe der Advanzia Bank gäbe es in Deutschland mit Sicherheit einige tausend Privatkonkurse weniger. Nur am Rande sei angemerkt, daß die Advanzia Bank auch beim Tagesgeld-Konto trickst und täuscht, daß es sich gewaschen hat.
Aber zurück zur Kreditkarte: In den AGB steht, daß Kundendaten, die von Gesetzes wegen nach einer gewissen Zeit gelöscht werden müssen, überhaupt nicht gelöscht würden. In E-Mails wird grundsätzlich kein Ansprechpartner genannt, und heikle Fragen, etwa nach Widersprüchen in den AGB, werden überhaupt nicht beantwortet. Advanzia faselte mir gegenüber von Bargeldabhebungen, die nie stattgefunden haben, und behauptete, die Wechselkurse für Auslandstransaktionen würden von MasterCard International stammen. Demgegenüber bestätigte MasterCard International mir gegenüber, daß sie den ausgebenden Banken keine Devisenkurse vorgebe. Andere Kunden, die mehrere Kreditkarten benutzen, berichten, daß sie für Fremdwährungstransaktionen am selben Tag bei der Advanzia Bank systematisch schlechtere Wechselkurse erhalten hätten. Und das, obwohl die Advanzia Bank angeblich keinen Zuschlag für Transaktionen in Dollar, Pfund, Schweizer Franken usw. erhebt!
Das beste kommt aber erst noch: Die Advanzia Bank verschickt ihre Rechnungen standardmäßig nur per E-Mail. Sie hat angeblich 242.000 aktive Kunden. Weil eine Vielzahl gleichzeitig verschickter gleichlautender E-Mails vom gleichen Absender von vielen Servern für Spam gehalten wird, landen jeden Monat viele Rechnungen bei vielen Kunden im Spam-Ordner. Das ist kein dummer Zufall, sondern volle Absicht, weil diese Kunden ihre Rechnungen dann kaum fristgerecht bezahlen können. Ein weiterer "ausgeklügelter" Trick liegt nämlich darin, daß die Advanzia Bank den Rechnungsbetrag nicht etwa per Lastschrift einzieht, obwohl sie das leicht könnte. Vielmehr muß der Kunde eigenhändig überweisen. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens werden jeden Monat einige Kunden vergessen, die Überweisung rechtzeitig zu machen. Zweitens werden sich rein statistisch auch immer einige beim Betrag vertippen. Was passiert, wenn jemand zuviel bezahlt, ist nicht ganz klar, weil Advanzia behauptet, sie dürfe keine Guthabenkonten führen. Das ist natürlich Quatsch, weil sie ja auch Tagesgeldkonten anbietet. Wer zu wenig bezahlt, hat hingegen das Nachsehen.
Machen wir ein konkretes Beispiel. Angenommen der Kunde macht am 1. März einen einzigen Kartenumsatz von 1.010 €. Am 5. April erhält er die Rechnung über eben diese 1.010 €, fällig am 20. April. Bezahlt er mit Wert 20. April die vollen 1.010 €, ist er fein raus. Aber was passiert, wenn er sich vertippt und mit Wert 20. April nur 1.001 € überweist, also 9 € zu wenig? Nehmen wir an, er bemerkt das am 5. Mai, wenn er die nächste Abrechnung bekommt, und überweist den Fehlbetrag sofort mit Wert 6. Mai. Bei jeder anderen Kreditkartenfirma bezahlt er nun Sollzinsen auf 9 € vom 21. April bis 6. Mai. Bei einem Satz von 19,94% p.a., wie die Advanzia ihn anwendet (andere Kredikartenfirmen geben sich mit z.T. deutlich weniger zufrieden) wären das 7 Cent. Die Advanzia Bank rechnet völlig anders: Obwohl die 1.010 € erst am 20. April fällig sind, will sie jetzt Sollzinsen plötzlich rückwirkend ab 1. März und auf die vollen 1.010 €! In diesem Beispiel also 19,94% p.a. auf 1.010 € vom 1. März bis 20. April = 28,14 € plus die 7 Cent vom 21. April bis 6. Mai auf 9 €. Das bedeutet im Klartext, daß die Advanzia Bank in diesem keineswegs untypischen Beispiel das 400fache dessen kassiert, was ihr zusteht! Dieselbe Zinsbombe geht hoch, wenn der Kunde zwar den vollen Betrag, aber erst drei Werktage später bezahlt, zum Beispiel weil er die Rechnung erst dann im Spam-Filter entdeckt hat. Auch dann beginnt die Zinsberechnung plötzlich rückwirkend ab dem Transaktionstag.
Entweder ist ein Betrag fällig, oder er ist es nicht, aber das Datum nachträglich vorzuverlegen bedeutet, nach dem Spiel die Regeln zu ändern. Die Advanzia Bank schreibt in ihren AGBs natürlich nicht: "Achtung! Wenn Sie auch nur einen Euro zu wenig oder drei Tage zu spät bezahlen, geht die Zinsbombe hoch!" Sondern "Zahlen Sie bis zum in der Rechnung genannten Zeitpunkt den vollen Betrag des Rechnungsabschlusses, verzichten wir auf die Geltendmachung von Kreditzinsen." Klingt doch gleich viel besser, oder? Läuft aber auf dasselbe hinaus.
Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß auch ich über diese Fußangel gestolpert bin. Die durch die nachträgliche Vorverlegung berechneten Sollzinsen betrugen bei mir 63 €. Die meisten von Euch hätten an meiner Stelle vermutlich zähneknirschend bezahlt. Ich nicht. Natürlich habe ich sämtliche noch offenen Umsätze und auch die Zinsen auf den bei Fälligkeit noch offenen Teil sofort beglichen. Aber gegen die zu unrecht verlangten 63 € habe ich mich gewehrt, die Karte sofort gekündigt und der Advanzia Bank unmißverständlich klargemacht, daß sie diese Sollzinsen von mir nicht bekommen wird. Sie hat versucht, ihre Forderung zwangsweise einzutreiben. Zuerst selbst, dann über ihre Inkassofirma ProFaktura und als nächstes über eine zweite Inkassofirma namens ProCash, die beide zum Bayerischen Inkasso-Dienst BID des Heinz Bittermann gehören. Als das alles nichts nützte, hat Anwalt Frank Sitte von der Anwaltskanzlei Hörnlein & Feyler in Coburg den Fall übernommen. Zuerst schickte er einen Standardbrief. Darauf leitete er das gerichtliche Mahnverfahren gegen mich ein. Inzwischen wollte er nicht mehr nur 63 €, sondern sage und schreibe 525 €, also mehr als das Achtfache! Weil ich dagegen Widerspruch eingelegt habe, blieb ihm nur noch eine gerichtliche Klage. Der Streitwert betrug mittlerweise "nur noch" 303 €. Auf weitere 222 € unnötig erzeugte Inkassogebühren hat er bereits im voraus verzichtet.
Die Klage wurde vom zuständigen Amtsgericht vollumfänglich abgeschme-, äh abgewiesen! Der Richter stellte klar, daß der Kunde unangemessen benachteiligt wird, weil er "von der vollen Zinsbelastung der davorliegenden Zeit getroffen wird, weil eine Anrechnung des geleisteten Betrags erst ab dem Tag stattfindet, am dem er die Teilzahlung vorgenommen hat. […] Das Risiko hinsichtlich der Höhe der anfallenden Zinsen des bei einer Teilzahlung in Anspruch genommenen Kredits wird dadurch unverhältnismäßig verteilt. Ebenso verhält es sich, wenn nur ein geringfügig geringerer Betrag überwiesen wird und auch dann Zinsen für den gesamten Zeitraum bis zur (Teil-) Zahlung anfallen.“ Das hieß im Klartext, daß die Zinsberechnungsklausel unwirksam ist. Das Urteil ist rechtskräftig.
Ich dachte eigentlich, daß die Advanzia Bank nunmehr ein Einsehen hätte und die beanstandete Klausel in Einklang mit dem Recht bringen würde, aber Pustekuchen. Ist ja auch logisch: Die berühmt-berüchtigte Fußangel-Klausel beschert ihr jedes Jahr Einnahmen in Millionenhöhe! Das bedeutet im Umkehrschluß, daß seit dem Eintritt der Advanzia Bank in den deutschen Markt hunderttausende Kunden Millionen zu Unrecht an die Advanzia Bank bezahlt haben und noch immer bezahlen. Ich werde mich jetzt an die Aufsichtsbehörden, die Verbraucherzentrale und die Medien wenden, damit diese Abzocke nicht nur für mich, sondern für alle ein Ende findet.
Achtung! Das Urteil ist kein Freibrief für Leute, die sich überschuldet haben und jetzt ihre Raten nicht mehr bezahlen können. Diese sind natürlich nach wie vor geschuldet. Ebenso die Zinsen ab Fälligkeit. Hätte ich nicht beides bezahlt, wäre ich kaum ungeschoren davongekommen. Es ging im Urteil lediglich darum, daß die Zinsberechnung auf den pünktlich bezahlten Teil unwirksam ist. Aber auch wenn Ihr es so macht wie ich, kann es trotzdem sein, daß Ihr nicht nur verklagt werdet, sondern daß Euer Amtsgericht sogar der Advanzia Bank rechtgibt. Dieses Risiko halte ich allerdings für sehr gering, und noch geringer, wenn Ihr auf das Präzendenzurteil verweisen könnt (Amtsgericht Singen/Hohentwiel, Az. 11 C 167/10).